Donnerstag, 16. September 2010

Level 2: Vietnam

Vorneweg muss ich erst mal schreiben: ich bin erleichtert, die ersten beiden Tage in Saigon ueberstanden zu haben. Denn wer jetzt glaubt, dass man hier so ein bisschen Sightseeing macht, entspannt durch die Stadt spaziert und sich dann vielleicht gemuetlich in einen Park setzt, hat weit gefehlt (wie ich).
Als ich ankam, fiel mir zuerst die wohl offensichtlichste Schwierigkeit auf: der Verkehr. Stellt euch einfach den Rushhour-Verkehr einer Grosstadt vor. Dann habt ihr etwa die Menge der Verkehrsteilnehmer. Dann 3 Informationen: in Vietnam wird rechts gefahren; meistens. Das groessere Fahrzeug hat immer Vorfahrt. Ampeln und Verkehrspolizisten sind kein Gesetz, sondern eine grobe Richtlinie (Funfact hinterher: Saigon beinhaltet 9 Mio Einwohner und 10 Mio Mopeds - und die meisten von denen scheinen nonstop unterwegs zu sein). Ausserdem gilt man scheinbar als unhoeflich, wenn man laenger als 30 Sekunden die Hupe nicht betaetigt, es gibt also schonmal nur hoefliche Menschen in Saigon.
Als ich aus dem Bus, den ich vom Airport aus genommen hatte, ausstieg, war nach 100m auch schon gleich eine dieser grossen furchteinfloessenden Strassen im Weg. Ich schnappte mir also einen Einheimischen, und folgte ihm dicht ueber die Strasse.
Und es funktioniert tatsaechlich: wenn man einfach langsam vorwaerts geht, fliesst der Verkehr dynamisch um einen herum. Machte irgendwie Spass :D
Ich folgte der Karte meines Lonely Planets, bis ich schliesslich ungefaehr dort angekommen war, wo ich mein Hostel vermutete, aber als ich gefragt wurde, wo ich hinwollte, musste ich erfahren, dass es dieses Hostel gar nicht mehr gab. Was fuer ein Zufall, dass die nette Dame aber ein anderes Hotel kannte, welches guenstig war.
Naja, immerhin war es wirklich guenstig, also checkte ich fuer erstmal eine Nacht ein.
Danach versuchte ich einen meiner Erkundungsspaziergaenge durch die Stadt, was aber im Prinzip ein staendiges Abschuetteln von Menschen war, die mir Buecher, Blumen oder Feuerzeuge verkaufen wollten, oder mich unbedingt mit ihrem Mofa oder Taxi irgendwo hin fahren wollten.
Es gibt naemlich 2 offiziell anerkannte Zeichen in Vietnam:
1) Westliches Aussehen (je blonder die Haare, desto starker das Signal) bedeutet: "Ich habe Geld und will diesen getrockneten Oktopus gerne kaufen. Danach moechte ich liebend gern dort drueben hingefahren werden, weil ich mir unbedingt noch einen Teppich und eine Haengematte zulegen will. Achja: ihr Hotel moechte ich bitte buchen und anschliessend hier essen gehen - vielen Dank"
2) Rucksack auf dem Ruecken (je groesser, desto dringender): "Schaut mich alle an, ich habe keine Unterkunft. Bitte, bitte, bietet mir doch ein Hotelzimmer an, auch wenn ich sage, nein danke, ich habe schon gebucht. Achja: dieser Oktopus sieht interessant aus"
Ich kam also bald wieder in mein Hotel zurueck, wo ich dann auch meine beiden Zimmernachbarn kennenlernte: eine Japanerin und Bo, einen Amerikaner. Wir unterhielten uns etwas und Bo und ich entschieden dann, noch einen Trinken zu gehen, das kann ich mir ja zum Glueck in Vietnam wieder leisten!
Er war allerdings ein bisschen komisch, erinnerte mich irgendwie an einen Junkie (wunderte mich nicht besonders, als er dann tatsaechlich Gras und Koks kaufte). Am naechsten Morgen checkte ich dann wieder aus, weil ich ein anderes Hotel gefunden hatte, was etwas teurer war, aber viel besser. Erst hatten Bo und ich vorbeghabt, uns das Zimmer zu teilen, um Geld zu sparen, aber ich hatte nachdem ich ihn naeher kennengelernt hatte kein besonders grosses Interesse mehr daran und als ich ihn am naechsten Morgen weckte und darauf ansprach, brummte er mich nur an, er hatte es also wohl auch nicht mehr vor. Das Dumme an der Situation war leider nur, dass ich schon ein Pfand von etwa US$10 fuer das Zimmer baezahlt hatte, und selbst als ich 10 Minuten spaeter wiederkam und sagte, ich wolle das Zimmer doch nicht, wollte der Rezeptionist mein Geld natuerlich nicht rausruecken. Ich sagte ihm dann, er solle wen anders da einbuchen und wenn ich wieder kaeme, wollte ich das Pfand wiederhaben, womit er auch einverstanden war (fuer den Fall, dass er jemanden faende).
Ich wollte an dem Tag dann eigentlich eine Sightseeing Tour durch die Stadt machen, stattdessen geriet ich dann fast in einen Gluecksspielbetrug, wo ich mich aber zu Glueck noch entfernen konnte und zwar in Begleitung meines Geldes - ich haette nicht gedacht, dass man so schnell in sowas reingeraten koennte, gerade weil ich mich eigentlich schon recht misstrauisch finde.
Am Abend ging ich dann in das Hotel zurueck und fragte nach meinem Pfand, aber er hatte niemanden gefunden. Allerdings fand ich dann eine Chinesin, die auch sparen wollte, und so teilten wir uns dann das Zimmer und mein Geld war doch nicht verloren.
Den naechsten Tag verbrachte ich dann wirklich mit Sightseeing, was aber nicht besonders aufregend war, von ein oder zwei ganz netten Parks und dem Verkehr abgesehen.
Am Tag darauf entschied ich mich dann fuer den ultimativen Kick: Moped fahren lernen im Rushhour-Verkehr von Saigon (aber ich habe den Verdacht, in Saigon ist immer Rushhour). Und nicht nur das, natuerlich musste Carrie, die Chinesin mitfahren, was das ganze Unterfangen technisch nicht gerade einfacher machte (mal ganz abgesehen von dem psychischen Druck, denn einen Unfall wollte ich jezt erst recht nicht bauen).
Aber dank guter Reflexe ... (der Vietnamesen :P) kam es innerhalb der ersten 5 Minuten fast wider Erwarten zu keinem Unfall und danach hatte ich den Bogen raus.
Eigentlich wollten wir den Fluss erkunden, aber der stellte sich nur als truebe braune Bruehe heraus, und Ufer waren nicht vorhanden. Ein Fehlgriff also.
Weil ich es mir in den Kopf gesetzt hatte, ein paar Brocken Vietnamesisch zu lernen, fuehrte uns der naechste Weg dann zur Uni, wo aber gerade so massiv umgebaut wurde, dass nichts zu finden war. Die Vietnamesen vor Ort konnten uns auch nicht helfen, weil die kein Englisch sprachen - was fuer eine Ironie.
Natuerlich fiel in gerade diesem Moment dem Wetter ein, dass ja noch Regenzeit ist und es beschloss, dass ein Monsun jetzt genau das richtige waere - da oben hatte jemand wirklich Humor.
Wir wollten erst auf ein Ende warten, aber nach einer Stunde gaben wir auf, denn Carrie musste zum Flughafen. Als die Vietnamesen sahen, was wir vorhatten, kramten sie uns so Muellsack-artige Regenponchos raus, damit wir nicht so nass wuerden - wieder einmal war ich von der Gastfreundlichkeit etwas ueberrascht!
Nach Hause ging es dann halb blind, weil der Regen so stark war, dass ich die Augen kaum aufmachen konnte und auch das Moped musste beweisen, dass es durch Fluesse fahren konnte, die frueher mal eine Strasse gewesen waren, aber wir kamen rechtzeitig und unversehrt an.
Tja, der naechste Tag lief dann etwas ruhiger ab, und da entschied ich mich spontan, als ich an einem Reisebuero vorbei lief, dass ich mal so eine Tagestour mitmachen wollte (~5€: dass das schon meine Schmerzgrenze kitzelte macht mich gleichzeitig nachdenklich und stolz. Aber 140000 VND klingt da schon etwas furchteinfloessender, oder? ;-). Ausserdem haben meine etwa 100€ Startkapital selbst nach Tag 6 noch Bestand, nach Malaysia muss ich mich halt etwas zusammen reissen).
Die, die ich waehlte, schliess den Besuch in einem Tempel und einem alten Vietcong-Lager ein.
Der Tempel entpuppte sich als ziemlich interessant und auch die Religion, ein Mix aus Hinduismus, Thaoismus, Buddhismus und Katholizismus (ich glaub, eine mehr war noch drin), war, sagen wir, ziemlich kreativ.
Im Vietcong-Lager lernten wir dann etwas ueber den Vietnamkrieg aus der Sicht Vietnams (Propagandavideo inklusive), durften durch einen nachgebauten Kriegstunnel kriechen (100m lang und etwa 50cm hoch), durch den ich an der engsten Stelle auf Ellenbogen und Knien gerade noch durchpasste - und der war doppelt so gross, wie der eigentliche Tunnel. Das war eine Taktik der Vietnamesen, denn da die recht klein sind, passten ihre Soldaten da durch, die Amerikaner blieben stecken.
Wir schauten uns dann noch ein paar furchteinfloessende Fallen an und anschliessend war es uns erlaubt, wenn wir uns die horrend teure Munition leisten konnten, mit originalen Gewehren aus dem Vietnamkrieg auf Zielscheiben zu schiessen.
Ich hatte gerade noch genug Geld fuer 2 Patronen der AK-47 uebrig, das wollte ich mir aber auch nicht nehmen lassen.
Zuerst mal ist es Wahnsinn, was das Ding fuer einen Rueckstoss hat. Waere das Gewehr nicht aufmontiert gewesen, haette mich das sicher gut umgehaun. Dann aber das Zielen fand ich gar nicht so schwer, ich wurde sogar gefragt, ob ich schon Erfahrung im Schiessen haette, was ich als (zumindest zukuenftiger) Kriegsdienstverweigerer aber verneinen musste ;-).
Nachdem wir danach dann so komische Wurzeln gegessen und Tee getrunken hatten, gings auch wieder zurueck, sogar bis fast vor die Haustuere.
Und gleich ziehe ich los, um zu entscheiden, ob ich in Saigon noch etwas bleiben will oder es vielleicht morgen schon weiter geht - ich habe gelernt, die Spontanitaet ein wenig mehr zu schaetzen ;-).
Bis dann

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